DİE MUTTER- SPRACHE

ABONE OL
11:54 - 23/10/2020 11:54
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BEĞENDİM

ABONE OL
Kaplan
Best

Grundstein eines jeden Lebens: Die Muttersprache
Menschen mit Migrationshintergrund, insbesondere Menschen aus der Türkei, stehen zwischen zwei Stühlen, wenn es um die sprachliche Förderung ihrer Kinder geht. Sollen Sie ihre Kinder, wie viele Lehrer und Lehrerinnen noch raten, erst einmal Deutsch lernen lassen? Die meisten Sprachexperten sind aber anderer Meinung: ”Lernt erst eure Muttersprache!”

Durch die Beherrschung der Muttersprache ist der Grundstein zum Erlernen weiterer Sprachen gelegt, so die einstimmige Meinung der Sprachwissenschaft. Die sprachliche Grundsteinlegung erfolgt im Elternhaus und sollte im Kindergarten und Schule weiter gefördert werden. Die Konsequenz daraus ist dass Kinder, deren Muttersprache nicht deutsch ist, zweisprachig gefördert werden müssen: in ihrer Muttersprache und in der Landessprache Deutsch. Wie sich dies z.B. in den Kindergartenalltag einbauen lässt, erläutert Gila Hoppenstedt vom German Institute for Immersive Learning (GIFIL, Kiel) in ihrem Buch “Meine Sprache als Chance – Förderung von Mehrsprachigkeit für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache”.

Forderungen seitens der Mehrheitsgesellschaft nach ausschließlicher Förderung der Landessprache Deutsch gehen jedoch an der Realität in Deutschland vorbei, wenn sie glaubt, türkischstämmigen Kindern und Jugendlichen, die in einer mehrsprachigen Umgebung aufwachsen, die Reihenfolge der zu erlernenden Sprachen vorschreiben und ihre Einhaltung beispielsweise durch Türkisch-Verbote in Kindergärten, Schulen und anderswo durchsetzen zu können. Das Erlernen der Muttersprachen und die der Landessprache findet keinesfalls in zwei voneinander
isolierten Prozessen statt. Die Unvollständigkeit des Einen bedingt die Unvollständigkeit des Anderen. Die zum Teil nur emotional gehegte und keinesfalls wissenschaftlich belegte Befürchtung, dass der gleichzeitige Erwerb von Muttersprachen und Landessprachen die sprachliche Entwicklung der Kinder beeinträchtigt, gehört zumindest nach wissenschaftlichen Erkenntnissen, in die Mottenkiste der Vorurteile.

Es ist wissenschaftlich unbestritten, dass gute Sprachkenntnisse in der Primär- oder Muttersprache das Erlernen weiterer Sprachen günstig beeinflusst. Auch aus neurologischer Sicht ist die Mehrsprachigkeit ohne Weiteres möglich und ist zudem eine kognitive Bereicherung für das Individuum, weil es die Leistungsfähigkeit und die Plastizität des Gehirns und somit die Intelligenz steigert. Durch den Mehrsprachenerwerb ändern sich die Gehirnstrukturen derart dass das Gehirn effektiver funktioniert. Eine Grundvoraussetzung hierfür ist aber ein frühzeitiges Erlernen, und zwar in der für die Sprachentwicklung sogenannten ”sensitiven Phase” innerhalb der ersten 9 Lebensjahre. Eine weitere Voraussetzung für den positiven kognitiven Einfluss der Mehrsprachigkeit ist die sprachliche Kompetenz. d.h. in wieweit die Kinder die jeweiligen Sprachen beherrschen. ”Bilinguale Kinder mit niedriger Sprach- und Kommunikationskompetenz weisen die o.g. positiven Eigenschaften der Mehrsprachigen nicht auf; im Gegenteil, sie haben geistige, psychologische und soziale Schwierigkeiten. Kinder, die mit verschiedenen Sprachen in Kontakt kommen, d.h. einem Sprachbad aus verschiedenen Sprachen ausgesetzt sind, werden auf natürliche Weise mehrsprachig. Diese Fähigkeit ist neurologisch programmiert. Damit diese Kinder lernfähig werden und Erfolg in der Schule und im Leben erlangen, müssen sie und ihre Eltern unterstützt werden.” (em. Prof. Dr. E. Huber, Universität Duisburg-Essen).

Bei den hier lebenden Migranten, speziell auch bei den türkischstämmigen, sind Sprachkenntnisse, die über das zum Teil gebrochene Sprechen der Muttersprache hinausgehen, nicht vorhanden. Zudem verfügen diese Kinder in beiden Sprachen über einen geringen Wortschatz. In Anbetracht dieses Zustandes ist es daher sinnvoll, die Gleichzeitigkeit des Spracherwerbs und die Plastizität des Gehirns zu nutzen, um die Kompetenzen in der Landessprache und in der jeweiligen Muttersprache zu stärken. Hierzu muss den meistgesprochenen Muttersprachen ein solider Platz im deutschen Schulsystem eingeräumt werden; nebenbei bemerkt gehört Türkisch nach Deutsch zu den am zweithäufigsten gesprochenen Muttersprachen in Deutschland. Gleichzeitig muss ein Konzept verfolgt werden, wie das Deutschlernen und das Lernen der Muttersprache langfristig, am besten über einen Zeitraum von 4 bis 8 Jahren, aufeinander abstimmt werden können. Das Erlernen Muttersprachen im Kontext der Schule ist dabei sehr wichtig, weil hierdurch ein Zeichen der Wertschätzung gesetzt wird. Dies stärkt nicht nur das Selbstvertrauen der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund, sondern fördert auch Ihre Verbundenheit zur hiesigen Gesellschaft, weil diese das Gefühl vermittelt bekommen, dass Sie mit Ihrer Kultur und Sprache akzeptiert werden. Die gleichzeitige Förderung von Muttersprachen und Landessprache ist ein richtiges Zeichen und die Mehrsprachigkeit im Allgemeinen ist ein Gewinn für den Wirtschaftsstandort Deutschland und die Zukunft der hiesigen Gesellschaft. Trotz dieser Notwendigkeit ”warten interkulturelle Erziehungs- und Bildungskonzepte, die die Kompetenz der Mehrsprachigkeit und den Wert sprachlicher und kultureller Vielfalt anerkennen und fördern, im Einwanderungsland Deutschland weiter auf ihre Umsetzung” (B. Döhla, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg).

Schließen wollen wir mit einer Bemerkung der Heinrich Böll Stiftung zum Thema:
”Doch diese auch wissenschaftlich mehrfach begründete Einsicht wird von der Bildungspolitik hierzulande nicht berücksichtigt. Und obwohl es vielfach belegt ist, dass die “lebensweltliche Zweisprachigkeit” eine besondere Kompetenz von und Chance für Migrantenkinder ist, die gefördert werden müsste, wird immer noch allein die Förderung der deutschen (Zweit-)Sprache (und anderer als “wertvoll” anerkannter Fremdsprachen) als vorrangig erachtet. Doch gute deutsche Sprachkenntnisse sind zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für die Eröffnung gleicher Bildungschancen für die Migrantenkinder, wie die Migrations- und Bildungsforschung seit vielen Jahren nachgewiesen hat.”

Dr. Ali Sak

Inal

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